Bilderwelten
Die Maler dieser Welt
sind sicherlich heilfroh, dass es Hotels und Sparkassen gibt. Und Wartezimmer!
Egal ob beim Zahnarzt, auf dem Finanzamt oder beim Rechtsanwalt - wo ein
Wartezimmer ist, hängen Bilder. Ein Geldinstitut ohne Kunstwerke verdient nicht
das Vertrauen der Geldanleger und Sparer! Die Bilder künden vom mangelnden
Kunstverstand und erwecken somit das Vertrauen darauf, dass auf dem jeweiligen
Sektor der Geschäftstätigkeit eine hohe Kompetenz erwartet werden kann.
Oft sind es allerdings
nur Nachdrucke von echten Bildern, die da die Wände schmücken - oder
verunstalten. Je nachdem!
Und besonders in den
Wartezimmern, in denen ein weniger betuchtes Klientel herumsitzen und warten
muss, sucht man vergeblich nach teuren Originalen.
Bei den Hotels mit
weniger als drei Sternen sind es immer Billigbilder, die in den Fluren und
Zimmern herumhängen. Aber auch diese Hotels folgen eben der allgemeinen Mode und
zementieren die heilige Pflicht, Bilder aufhängen zu müssen. Ohne Bilder an den
Wänden ist ein Wartezimmer kein Wartezimmer und ein Hotelzimmer bestenfalls
eine Besenkammer.
Natürlich sind auch im
privaten Bereich, in den Wohnungen und Eigenheimen, Bilder an Wänden zu finden.
Je nach Geschmack. Sehr beliebt sind Bilder von Vincent van Gogh. Oder Picasso.
Natürlich nur sehr selten im Original.
Bilder von
zeitgenössischen Malern, die sich als Künstler verstehen und deren Bilder in
diversen Galerien ausgestellt werden, sind allerdings noch seltener. Und oft auch
noch teurer als die alten Klassiker.
Für die Bildwerke
irgendeines völlig unbekannten lebenden Malers wird manchmal genau so viel Geld
bezahlt - von Leuten, die eh zu viel haben! - wie für einen alten Dürer, oder
einen Caspar David Friedrich. Mit dem Unterschied allerdings, dass man die
Bilder der alten Klassiker mit Freude betrachten kann und beim Versuch,
verstehen zu wollen, was der Maler gemalt hat, nicht Gefahr läuft, sich eine
Gehirnhautentzündung zuzuziehen.
Kein normaler Mensch,
der sich sein Geld mit einem gewissen Maß an Mühe und Schweiß erwirtschaften
muss, würde sich jemals ein Bild - genannt Kunstwerk! - eines zeitgenössischen
Malers kaufen.
Die Leute, die sich so
etwas leisten, sind eben solche, die nicht wissen, was sie Vernünftiges mit
ihrem Geld anfangen sollen. Sie kaufen den Malmüll der Galerien in der
Hoffnung, dass einer der Müllmaler eines Tages berühmt wird und die Müllbilder
plötzlich einen unermesslichen Wert bekommen. Das Gute an dieser Art von
Bilderverwertung ist, dass die Bilder aus dem öffentlichen Verkehr gezogen, in
irgendwelchen privaten Safes luftdicht weggeschlossen werden und also somit
niemanden mehr ärgern können. Es ist aktiver Umweltschutz!
Bei den Hotels,
Sparkassen und Wartezimmern ist das leider nicht so. Dort werden die Bilder
aufgehängt, um dem arglosen Kunden oder Patienten oder Gast direkt ins Auge zu
fallen oder zu springen.
Besonders in den
Wartezimmern von Rechtsanwälten oder in den Hotels ab vier Sterne, wo man
Klienten und Gäste schon vor dem Bezahlen der Rechnung tiefgreifend
beeindrucken möchte, hängen oft Bilder zeitgenössischer Maler. Manch einer
dieser Maler hatte sogar den Auftrag erhalten und ausgeführt, die gesamte
Kanzlei, oder gar das gesamte Hotel von oben bis unten - nicht nur die Wände
mit Bildern - sondern rundum zu verunstalten.
Aber ich gönne das den
zeitgenössischen Malern. Wenn die nicht diesen Markt hätten, auf dem ihre
Bilder vermarktet werden können, würden womöglich viele von denen ihre kreative Energie an den
Außenwänden von Häusern im öffentlichen Bereich abzureagieren versuchen. Und
dann hätten die Graffitis womöglich keinen Platz mehr für ihre schönen bunten
Gemälde.
Eduard Sachsenmeyer
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen