Wann
wir schreiten...
Der Mensch scheint als biologisches
und zugleich soziales Wesen eine Vorliebe zum Spazierengehen mit möglichst
vielen anderen Menschen zu besitzen. Die Anlässe, diese Vorliebe auszuleben,
sind mannigfaltig. Demonstrationen zum 1.Mai oder zu Ostern - wie wir sie in
den letzten Tagen wieder bestaunen konnten - sind ebenso beliebt wie Faschings-
oder Karnevalsumzüge. Nicht zu vergessen Protestdemos oder religiöse
Prozessionen. Losungen, Transparente, Monstranzen und monströse Witzfiguren
werden sinnstiftend mitgeführt und vorgezeigt.
Wenn der Mensch in der Masse
herumläuft, fühlt er sich plötzlich sehr stark und schlau. Ohne dieses
gesteigerte Selbstwertgefühl wären auch die deutschen Truppenbewegungen gen
Moskau oder die Kreuzzüge ins Heilige Land nicht denkbar gewesen.
Motto: Wann wir schreiten Seit an
Seit... - dann fühlen wir uns so was von gescheit!
Der Mensch, der alleine durch die
Gegend wandert, fühlt sich eher klein und den Gefahren der wilden Natur
schutzlos ausgeliefert. Und da ihm auch die Gefährten fehlen, die genauso
denken wie er und ihm permanent bestätigen könnten, klug und weiße zu sein, wie
eben alle, die da im Gleichschritt gehen, so fühlt er sich alleine eher
betröppelt und ein bisschen doof. Um dieses Gefühl zu vermeiden, sucht der
Mensch die Massen gleichgesinnter Menschen. Betonung liegt auf 'gleichgesinnt'!
Mit Massen von Menschen
herumzulaufen, die anders gesinnt sind, bringt kein gutes Gefühl hervor. Im
Gegenteil. Wer anders sinnt, der spinnt!
Deshalb kann es also nicht
passieren, dass die Gegner der Braunkohlekraftwerke mit den Freunden der
Überlandleitungen gemeinsame Märsche und Demonstrationen durchführen. Die
Waldschützer gehen nicht mit den Dieselfreunden. Die Pilzesammler nicht mit den
Briefmarkensammlern.
Jeder demonstriert mit denen, die
so denken wie er, für das, was mein gemeinsam denkt. Und wer dann mit seinen
Gleichgesinnten am lautesten ist, wird von den Medien registriert und erfährt
gebührende Aufmerksamkeit in der Presse und im Fernsehen. Und so entsteht dann
der Eindruck bei denen: Wir haben Recht!
Eine Woche später sind aber die
anderen dran, die diesen Eindruck haben dürfen. Weil eben die Medien nicht
unentwegt über dieselben berichten können. Abwechslung muss sein!
Nach geraumer Zeit, in der die
verschiedensten Gesinnungslager zu Wort gekommen und gewürdigt worden sind,
versteht eigentlich kein Außenstehender mehr, wo vielleicht ein Fünkchen
Wahrheit und Vernunft zu finden sein könnte.
Wirrwarr schaffen, ohne Laffen!
Anderseits kann es aber auch
passieren, dass aus dem Strudel der Meinungen und Gesinnungen plötzlich ein Sog
entsteht. Zum Beispiel der Sog, der die Auffassung bestärkt, dass es sinnvoll
ist, unsere Atomkraftwerke abzuschalten, um die Umwelt stärker mit
umweltvernutzender Energiegewinnung zu belasten.
Es gibt noch Wiesen, wo kein
Windrad steht!
Im Übrigen stehen ja rings um
Deutschland genügend Atomkraftwerke herum, von denen wir Strom bekommen
könnten. Das Risiko bezüglich atomarer Unfälle, die Deutschland in
Mitleidenschaft ziehen könnten, bleibt konstant.
Oder nehmen wir die E-Autos! Jeder
weiß, dass die Gesamtenergiebilanz gegenüber dem Dieselauto um zehn bis zwanzig
Prozent negativer ausfällt. Das E-Auto samt den notwendigen Batterien sind
Umweltkiller! Aber der Sog, der aus dem freien Spiel der Bewegungen zu Fuß und
den Gesinnungen der Därme bei den Menschen entsteht, erhebt das E-Auto zum
Messias für die Umwelt!
Mein Gott, kann die Autoindustrie
mit den E-Autos denn wirklich so viel mehr Profit machen, als mit den anderen Dreckschleudern?
Geht das denn überhaupt noch - mehr
Profit machen, als man schon macht?
Eduard Sachsenmeyer
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