Sonntag, 4. November 2018


Freude spenden
Ich habe mich wieder einmal, wie schon oft in meinem Leben, als Freudenspender betätigt. Wenn auch nicht völlig freiwillig, so doch sehr erfolgreich! Es war letzten Sonntag.
Meine Gudste hatte keine Lust, alleine für uns beide etwas zum Mittag zuzubereiten. Sie schlug vor, dass wir in eine Gaststätte gehen könnten. Gegen solch einen Vorschlag habe ich eigentlich gemeinhin nie etwas einzuwenden. Es wäre auch höchst unklug von mir, etwas einzuwenden, denn wenn meine Gudste etwas kochen muss, obwohl sie keine Lust dazu hat, dann wird die entsprechende Mahlzeit zu einer hochexplosiven Angelegenheit. Da genügt es schon, wenn ich ein Bisschen an der Soße rummäkle, und schon geht meine Gudste in Luft und schlägt mir vor, dass ich mir doch in Zukunft meine Fraß gefälligst alleine kochen solle.
Nein, wenn meine Gudste keine Lust zum Kochen hat, ist Gaststätte eine ungefährliche Alternative.
Ich habe also in weiser Abwägung aller Nachteile ihrem Vorschlag einstimmig zugestimmt, und wir saßen dann auch irgendwann in einer Gaststätte. Zuerst haben wir, wie es sich gehört, die Getränke bestellt. Wenn die Getränke serviert werden, kommt der Zeitpunkt, wo man die Speisen bestellt. Das wissen wir. Das machen alle so.
Wir waren übrigens nicht die einzigen Gäste. Viele Leute hatten eine ähnliche Idee gehabt wie wir. Unter den Leuten war auch ein Hund. Ein Pudel.
Der Pudel lag friedlich auf dem Boden, hatte seinen  Kopf auf die Pfoten gelegt und guckte mich mit seinem typischen Hundeblick unentwegt an, als würde er mich kennen. Ich konnte mich aber beim besten Willen nicht erinnern, den Hund irgendwo bereits kennengelernt zu haben.
Als sich dann jedenfalls die Kellnerin mit dem Tablett voller Getränke näherte, verlor ich ihn aus dem Blickfeld. Ich hatte auf dem Tablett mein bestelltes Hefeweizen entdeckt, das mir blond und hold entgegenlächelte. Ich lächelte zurück. Wir freuten uns aufeinander!
Kann es einen schöneren Moment geben, als wie wenn dein Bier im Anmarsch ist!?
Die Kellnerin fasste nach dem Bierglas, um es vor mir auf den Tisch zu stellen. Die Absicht war eindeutig erkennbar, aber ihr glitt das Glas, das außen von etwas übergelaufenem Weißbier feucht war, aus den Fingern. Das gefüllte Bierglas landete in aufrechter Haltung direkt vor mir hart auf der Tischplatte, wie ein Turner mit steifen Beinen beim Bockspringen. Dem Glas selbst passierte nichts, nur der Inhalt schoss wie eine Fontäne in die Luft, verwandelte sich im Flug zu Schaum und hüllte mich in selbigen von oben bis unten ein. Mein dunkelblaues Sonntagsjackett hatte weiße Punkte bekommen, als wenn es geschneit hätte.
Im Radio kam gerade das Lied von Roy Black - "Ganz in weiß mit einem Blumenstrauß…"
Der weiße Schaum ist aber sehr schnell wieder zu Flüssigkeit geworden. In der Gaststätte befanden sich jetzt zwei Pudel - ein echter und ein begossener!
Meine Gudste hatte von der Bierdusche nicht einen Tropfen abbekommen. Sie sagte mit jenem vorwurfsvollen Ton, den ich an ihr so liebe: "Wie siehst du denn  wieder aus?"
Meiner Frisur hatte die Dusche übrigens wenig anhaben können. Ich nahm mein Taschentuch und wischte mir die Glatze einfach ab. Das Jackett zog ich aus und hängte es zum Trocknen an den Kleiderständer. Die Hose ließ ich an und hoffte, dass sie schnell trocknen würde, damit ich nicht mit nasser Hose würde an die frische Luft gehen müssen. Wie schnell kann man sich was verkühlen!
Die Kellnerin brachte mir natürlich unter emsigen Bedauerungsbekundungen ein neues Hefeweizen und bot mir als Trostpflästerchen einen Schnaps an. Ich wählte einen Becherovka. Das Essen hat dann übrigens hervorragend geschmeckt.
Die Leute ringsherum konnten in ihren Gesichtern allerdings bis zum Schluss das hämische Grinsen der Schadenfreude nicht völlig unterdrücken. Nur der richtige Pudel guckte mich völlig neutral mit seinem Hundeblick noch so an wie vor der Dusche. Gelangweilt, aber so, als wie wenn er mich kennen würde. Aber ich kannte ihn nicht.
Der Verdacht allerdings, dass der Pudel auf geheimnisvolle Art und Weise den Bierunfall heraufbeschworen hatte, wuchs mit jedem Blick den wir noch wechselten. Ich würde den Pudel jetzt jederzeit wiedererkennen!
Eduard Sachsenmeyer

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