Sonntag, 25. Oktober 2020

Sachsenmeyer: Bilderwelten


 

 

Die Maler dieser Welt sind sicherlich heilfroh, dass es Hotels und Sparkassen gibt. Und Wartezimmer! Egal ob beim Zahnarzt, auf dem Finanzamt oder beim Rechtsanwalt – wo ein Wartezimmer ist, hängen Bilder. Ein Geldinstitut ohne Kunstwerke verdient nicht das Vertrauen der Geldanleger und Sparer! Die Bilder künden vom mangelnden Kunstverstand und erwecken somit das Vertrauen darauf, dass auf dem jeweiligen Sektor der Geschäftstätigkeit eine hohe Kompetenz erwartet werden kann.

Oft sind es allerdings nur Nachdrucke von echten Bildern, die da die Wände schmücken – oder verunstalten. Je nachdem!

Und besonders in den Wartezimmern, in denen ein weniger betuchtes Klientel herumsitzen und warten muss, sucht man vergeblich nach teuren Originalen.

Bei den Hotels mit weniger als drei Sternen sind es immer Billigbilder, die in den Fluren und Zimmern herumhängen. Aber auch diese Hotels folgen eben der allgemeinen Mode und zementieren die heilige Pflicht, Bilder aufhängen zu müssen. Ohne Bilder an den Wänden ist ein Wartezimmer kein Wartezimmer und ein Hotelzimmer bestenfalls eine Besenkammer.

Natürlich sind auch im privaten Bereich, in den Wohnungen und Eigenheimen, Bilder an Wänden zu finden. Je nach Geschmack. Sehr beliebt sind Bilder von Vincent van Gogh. Oder Picasso. Natürlich nur sehr selten im Original.

Bilder von zeitgenössischen Malern, die sich als Künstler verstehen und deren Bilder in diversen Galerien ausgestellt werden, sind allerdings noch seltener. Und oft auch noch teurer als die alten Klassiker.

Für die Bildwerke irgendeines völlig unbekannten lebenden Malers wird manchmal genau so viel Geld bezahlt – von Leuten, die eh zu viel Geld haben! – wie für einen alten Dürer, oder einen Caspar David Friedrich. Mit dem Unterschied allerdings, dass man die Bilder der alten Klassiker mit Freude betrachten kann und beim Versuch, verstehen zu wollen, was der Maler gemalt hat, nicht Gefahr läuft, sich eine Gehirnhautentzündung zuzuziehen.

Kein normaler Mensch, der sich sein Geld mit einem gewissen Maß an Mühe und Schweiß erwirtschaften muss, würde sich jemals ein Bild – genannt Kunstwerk! – eines zeitgenössischen Malers kaufen.

Die Leute, die sich so etwas leisten, sind eben solche, die nicht wissen, was sie Vernünftiges mit ihrem Geld anfangen sollen. Sie kaufen den Malmüll der Galerien in der Hoffnung, dass einer der Müllmaler eines Tages berühmt wird und die Müllbilder plötzlich einen unermesslichen Wert bekommen. Das Gute an dieser Art von Bilderverwertung ist, dass die Bilder aus dem öffentlichen Verkehr gezogen, in irgendwelchen privaten Safes luftdicht weggeschlossen werden und also somit niemanden mehr ärgern können. Es ist aktiver Umweltschutz!

Bei den Hotels, Sparkassen und Wartezimmern ist das leider nicht so. Dort werden die Bilder aufgehängt, um dem arglosen Kunden oder Patienten oder Gast direkt ins Auge zu fallen oder zu springen.

Besonders in den Wartezimmern von Rechtsanwälten oder in den Hotels ab vier Sterne, wo man Klienten und Gäste schon vor dem Bezahlen der Rechnung tiefgreifend beeindrucken möchte, hängen oft Bilder zeitgenössischer Maler. Manch einer dieser Maler hatte sogar den Auftrag erhalten und ausgeführt, die gesamte Kanzlei, oder gar das gesamte Hotel von oben bis unten – nicht nur die Wände mit Bildern – sondern rundum zu verunstalten.

Aber ich gönne das den zeitgenössischen Malern. Wenn die nicht diesen Markt hätten, auf dem ihre Bilder vermarktet werden können, würden womöglich  viele von denen ihre kreative Energie an den Außenwänden von Häusern im öffentlichen Bereich abzureagieren versuchen. Und dann hätten die Graffitis womöglich keinen Platz mehr für ihre schönen bunten Gemälde.

Eduard Sachsenmeyer

 

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