Amazon hin, Amazon her
Es ist ja wirklich erstaunlich,
dass sich über 1500 deutschsprachige Schriftsteller gefunden haben, um in einem
offnen Brief, bestimmte Geschäftspraktiken des Internetgiganten Amazon auf dem
Buchmarkt zu kritisieren. Wer sind denn die, die da ihre Unterschrift gaben?
Sicher sind es vorwiegend die, die
seit Jahren das Glück haben, mit einen Verlag - ohne Druckkostenzuschläge -
arbeiten zu können. Die anderen fühlten sich wahrscheinlich gebauchmiezelt, um
ihre Unterschrift gebeten worden zu sein.
Tatsächlich muss man doch fragen, wie
sieht es auf dem Buchmarkt aus, was macht denn heutzutage der so genannte "seriöse
Buchmarkt"? Er kämpft ums Überleben und hat dabei alle literarischen
Ambitionen über Bord geworfen. Dass Verlage Hüter und Förderer von Literatur
sind, ist lang vorbei. Es sollen täglich zig unverlangt eingesandte Manuskripte
sein, die von Verlagen mehr oder weniger ungesehen abgelehnt werden - einfach
weil sie nicht ins so genannte Profil des Verlages passen. Solche großen Romane
wie "Das Parfüm" oder "Schlafes Bruder" ereilte ein solches
Schicksal ebenfalls bei fast allen große deutschen Verlagen. Zufälle führten zu
ihrer Wahrnehmung. Lottospiel hat mehr mit literarisch orientierter Auswahl zu
tun.
Es ist ein Tatsache - Thomas Mann
oder Heinrich Heine fänden heutzutage keinen Verleger mehr! Bestseller müssen
ran! Der Massengeschmack muss bedient werden. Kohle muss werden! Ausnahmen
bestätigen die Regel.
Gut, das mag in anderen Bereichen
nicht anders sein - wen interessiert beispielsweise eine niveauvolle
Fernsehsendung, wenn sie keine Quoten macht?
Und in dieser Situation kommt
Amazon und mischt den Buchmarkt auf. Wie eine Tsunami
fegt Amazon über die verkrustete
Verlagslandschaft. Das Monopol wird gebrochen! Der Markt wird geöffnet! Auch
von Verlagen verschmähte Autoren können veröffentlichen - ohne gute Beziehungen
oder Druckkostenzuschläge!
Auf dem Pressemarkt hat übrigens
Ähnliches stattgefunden - das Internet mit verschiedenen Plattformen hat das
Meinungsmonopol der Presse gebrochen. Meinung wurde individualisiert und damit
demokratisiert. Die Chefredakteure und Herausgeber verlieren den Einfluss auf
große Teile des Meinungsbildungsprozesses.
Bei Amazon entscheidet der Leser.
Und auch Autoren, die nur einen kleinen Kreis von Lesern erreichen können (oder
wollen), haben ihre Chance! Dass diese Autoren bei Amazon auf einem
Abstellgleis landen würden, wie PEN-Präsident Josef Haslinger in einem
Zeitungsinterview ("Freie Presse" 23.8.14) meint, ist Blödsinn. Sie
sind vorher auf dem Abstellgleis!
Bei Amazon befinden sie sich dann
zumindest auf der Reservebank. Und wenn es tatsächlich so bleibt, dass sich die
so genannte "seriöse Buchkritik" den Büchern der Amazonautoren
verweigert, sie nicht in der Presse rezensiert, dann ist das eine überhebliche
Diskriminierung dieser Autoren. Seit wann kommt es darauf an, an welcher Stelle
Kunst präsentiert wird? Es kommt darauf an, ob es Kunst ist oder nicht!
Es darf an dieser Stelle an die
Aktionskünstler erinnert werden. Wenn Kunst nur dort stattfinden darf, wo es
etablierte Kunstvermarkter gewünscht haben, gäbe es keine Kunstfortschritte!
Klar, dass sich alle die, die sich
bisher unter dem Dach eines "seriösen" Verlages etablieren konnten,
um ihre Privilegien sorgen. Sie müssen womöglich unter den Fittichen ihres
Verlages hervor kriechen und sich einem offenen Markt aussetzen. Nein, das
wollen sie nicht. Da gibt man schon mal gern eine Unterschrift gegen dieses
Monster, das ihre Sicherheit bedroht.
Stephan Dettmeyer
PS: Ich habe über Amazon zwölf
Taschenbücher kostenlos veröffentlicht und habe somit zumindest hübsche
individuelle Weihnachtsgeschenke für die Verwandtschaft!
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