Freitag, 29. August 2014



Amazon hin, Amazon her

Es ist ja wirklich erstaunlich, dass sich über 1500 deutschsprachige Schriftsteller gefunden haben, um in einem offnen Brief, bestimmte Geschäftspraktiken des Internetgiganten Amazon auf dem Buchmarkt zu kritisieren. Wer sind denn die, die da ihre Unterschrift gaben?
Sicher sind es vorwiegend die, die seit Jahren das Glück haben, mit einen Verlag - ohne Druckkostenzuschläge - arbeiten zu können. Die anderen fühlten sich wahrscheinlich gebauchmiezelt, um ihre Unterschrift gebeten worden zu sein.
Tatsächlich muss man doch fragen, wie sieht es auf dem Buchmarkt aus, was macht denn heutzutage der so genannte "seriöse Buchmarkt"? Er kämpft ums Überleben und hat dabei alle literarischen Ambitionen über Bord geworfen. Dass Verlage Hüter und Förderer von Literatur sind, ist lang vorbei. Es sollen täglich zig unverlangt eingesandte Manuskripte sein, die von Verlagen mehr oder weniger ungesehen abgelehnt werden - einfach weil sie nicht ins so genannte Profil des Verlages passen. Solche großen Romane wie "Das Parfüm" oder "Schlafes Bruder" ereilte ein solches Schicksal ebenfalls bei fast allen große deutschen Verlagen. Zufälle führten zu ihrer Wahrnehmung. Lottospiel hat mehr mit literarisch orientierter Auswahl zu tun.
Es ist ein Tatsache - Thomas Mann oder Heinrich Heine fänden heutzutage keinen Verleger mehr! Bestseller müssen ran! Der Massengeschmack muss bedient werden. Kohle muss werden! Ausnahmen bestätigen die Regel.
Gut, das mag in anderen Bereichen nicht anders sein - wen interessiert beispielsweise eine niveauvolle Fernsehsendung, wenn sie keine Quoten macht?
Und in dieser Situation kommt Amazon und mischt den Buchmarkt auf. Wie eine Tsunami
fegt Amazon über die verkrustete Verlagslandschaft. Das Monopol wird gebrochen! Der Markt wird geöffnet! Auch von Verlagen verschmähte Autoren können veröffentlichen - ohne gute Beziehungen oder Druckkostenzuschläge!
Auf dem Pressemarkt hat übrigens Ähnliches stattgefunden - das Internet mit verschiedenen Plattformen hat das Meinungsmonopol der Presse gebrochen. Meinung wurde individualisiert und damit demokratisiert. Die Chefredakteure und Herausgeber verlieren den Einfluss auf große Teile des Meinungsbildungsprozesses.
Bei Amazon entscheidet der Leser. Und auch Autoren, die nur einen kleinen Kreis von Lesern erreichen können (oder wollen), haben ihre Chance! Dass diese Autoren bei Amazon auf einem Abstellgleis landen würden, wie PEN-Präsident Josef Haslinger in einem Zeitungsinterview ("Freie Presse" 23.8.14) meint, ist Blödsinn. Sie sind vorher auf dem Abstellgleis!
Bei Amazon befinden sie sich dann zumindest auf der Reservebank. Und wenn es tatsächlich so bleibt, dass sich die so genannte "seriöse Buchkritik" den Büchern der Amazonautoren verweigert, sie nicht in der Presse rezensiert, dann ist das eine überhebliche Diskriminierung dieser Autoren. Seit wann kommt es darauf an, an welcher Stelle Kunst präsentiert wird? Es kommt darauf an, ob es Kunst ist oder nicht!
Es darf an dieser Stelle an die Aktionskünstler erinnert werden. Wenn Kunst nur dort stattfinden darf, wo es etablierte Kunstvermarkter gewünscht haben, gäbe es keine Kunstfortschritte!
Klar, dass sich alle die, die sich bisher unter dem Dach eines "seriösen" Verlages etablieren konnten, um ihre Privilegien sorgen. Sie müssen womöglich unter den Fittichen ihres Verlages hervor kriechen und sich einem offenen Markt aussetzen. Nein, das wollen sie nicht. Da gibt man schon mal gern eine Unterschrift gegen dieses Monster, das ihre Sicherheit bedroht.

Stephan Dettmeyer

PS: Ich habe über Amazon zwölf Taschenbücher kostenlos veröffentlicht und habe somit zumindest hübsche individuelle Weihnachtsgeschenke für die Verwandtschaft!


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