Angela Merkel war in
Chemnitz
Ja, unsere Angela war in Chemnitz. Fast
drei Monate nach dem gewaltsamen Tod von Daniel H. - der mutmaßlich von
Flüchtlingen herbeigeführt wurde - und den Aufmärschen rechter Gruppen gegen
Flüchtlinge war die Bundeskanzlerin vorigen Freitag in unsrer Stadt.
Sie trug die bordeauxrote Jacke.
Vor ihr war schon Steinmeier und die
"Toten Hosen" da.
Beim Besuch von Angela Merkel kam es
nun aber zu Protest-Demonstrationen. „Volksverräter“, „Hau ab“ und
„Merkel muss weg“ riefen welche.
Einige fanden aber, dass sie hätte
früher kommen müssen, als die Kacke sozusagen noch am Dampfen war. Nicht erst
jetzt, wo eigentlich alles schon wieder fast vergessen ist. Andere fanden, dass
sie sich den Weg hätte sparen können.
Aber vielleicht hatte unsre Angela
einfach mal wieder Lust, Chemnitz zu besuchen. Es sind ja viele Menschen, die
Chemnitz nur deshalb besuchen, um wieder einmal spüren zu können, wie schön sie
es zu Hause haben.
Meine Gudste hatte sich jedenfalls
über den Besuch von Angela gefreut. Sie sagte, es wäre, als sie die Kanzlerin
an der Hartmannhalle von Ferne sehen konnte, …es wäre ein bisschen wie in
London gewesen, als wir bei unserer letzten Erlebnisreise die Queen von Ferne vom
Balkon des Buckingham-Palastes winken sehen konnten. Angela hätte auch gewinkt!
Und es hätte eigentlich nur ein hübscher Hut gefehlt. Aber Angela sei
wahrscheinlich kein Hut Typ, vermutete meine Gudste abschließend.
Ich war nicht an der Hartmannhalle
gewesen. Mir reichte die Berichterstattung. Die reicht mir eigentlich meistens.
Um nicht zu sagen, die steht mir meistens bis zum Hals. Noch ein Quäntchen mehr
und ich drohe mich zu übergeben. Volkstümlich formuliert - zum Kotzen!
Okay - Journalisten sind vielleicht
wirklich dazu da, kritisch zu sein. Zu Berichten, was sich in der Politik und
in der Gesellschaft Schlimmes abspielt, aber das wirklich Schlimme wird dann
oft geflissentlich übersehen. Und oft wird das Schlimme durch die
Berichterstattung erst richtig berühmt!
Wenn es zu DDR-Zeiten vor der Wende
das vornehmliche Bestreben der Berichterstattung war, Erfolge aus der
sozialistischen Produktion und Landwirtschaft zu vermelden - einen besonderen
Stellenwert hatten übrigens die Erfolge im Sport! -, so ist das Bestreben
heutiger Berichterstattung, irgendwo und irgendwie eine Stelle zu finden, wo
ein Rad im Dreck läuft.
Gut bei der Sportberichterstattung
aus den Untiefen des Amateursportes und den Wettkampferfolgen hinauf bis zur
dritten Fußballbundesliga ist dieses Bemühen meistens erfolglos und es bleibt
bei den mehr oder weniger aufregenden Berichten über Sieg und Niederlage. Die
Berichterstattung über den CFC erreichte allerdings bereits Werte, die selbst
ein Rücktritt von Jogi Löw nicht erreichen würde. Da gibt es aber auch jede
Menge journalistisches Futter!
Ach, apropos Futter - "Saure
Sahne Fischfilet" oder wie die heißen… - haben Sie schon mal was von der
Beatgruppe gehört? Wobei ich nicht weiß, ob der Ausdruck Betagruppe richtig
ist. Es ist jedenfalls eine Gruppe von vier oder fünf vorwiegend dicken jungen
Männern, die erheblichen Krach erzeugen, und plötzlich in allen Zeitungen
auftauchen, weil irgendjemand verhindert hat, dass die irgendwo auftreten. Ich
vermute, die werden nun demnächst Bambi-Preisträger oder so was. Oder der
Böhmermann… - der hatte wegen seinem schweinischen Gedicht gegen der Türkischen
Präsidenten Erdogan einige Monate lang Futter geliefert und bekommt nun dafür
eine eigene Sendung im ZDF.
Jedenfalls versteht es die
Berichterstattung heutzutage, auf bestimmten Ereignissen solange herum zu
kauen, bis auch der letzte davon Kenntnis hat.
Zum Beispiel auch Chemnitz - niemand
hätte sie bemerkt, die paar Rechten, die in der Nähe der Hartmannhalle,
in der Merkel auftrat, ihrem Unmut Ausdruck verliehen. Von den Demonstranten,
die T-Shirts trugen mit der ironischen Aufschrift „Geil Merkel“, hätte die Welt
nie erfahren. Das Transparent auf dem „Heil Merkel“ stand, das eine Gruppe mit
dem ebenfalls ironischen Namen „Merkeljugend“ hochhielt, wäre in der Düsternis des
Vergessens versunken. Nun aber weiß die Welt davon! Und ich fürchte, die
"Merkeljugend" wird demnächst das Bundesverdienstkreuz für beherzte Satire
erhalten.
Und ich… ich habe mich soeben auch
an der aktuell üblichen Berichterstattung beteiligt.
Eduard
Sachsenmeyer
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