Mittwoch, 13. Juli 2016



Kiste zu, Affe lebt!
Sachsenmeyer schließt die "Kiste" - 19 Jahre erfolgreiches Kabarett

Der Abschied von meiner Spielstätte im Chemnitzer Hedwighof, in der ich neunzehn Jahre jede Woche durchschnittlich drei bis viermal auf der Bühne stand, ist mir zwar nicht leicht gefallen, aber ich empfinde weniger Wehmut, als vielmehr Stolz!
Ja, das soll mir doch mal einer nachmachen!
Vorgemacht hat es ja auch keiner! Also fast einmalig!
Während in den letzten zwanzig Jahren die Comedy-Welle über Deutschland hinweg geschwappt ist und große Verwüstungen in den Bereichen des guten Geschmacks und deutscher Sprachkultur hinterlassen hat, habe ich in Chemnitz eine kleine Kabarett-Spielstätte etabliert. Sie wurde in der Region Chemnitz zu einem Begriff für sächsisches, intelligentes, kritisches und zugleich humorlastiges Kabarett.
Die Gag-Dichte der Programme konnte jederzeit mit jedem Comedy-Programm mithalten. Allerdings wird bei meinen Gags immer das Vorhandensein einer gewissen Menge an Hirn beim Publikum vorausgesetzt. Der Spaß reduziert sich nicht auf das Brechen letzter verbaler Tabus. In jedem meiner Programme knöpfe ich mir in meiner Rolle als "bauernschlauer Sachsenmeyer" ein Thema vor und beschnüffle es von möglichst vielen Seiten. Immer satirisch, immer mit Humor, nie mit dem erhobenen Zeigefinger! Krönender Abschluss war schließlich das Programm "Hilfe, ich bin frei" , wo ich den Begriff der Freiheit auf die Waagschale gelegt habe. Denn der Mensch braucht alles - Wärme, Liebe, Geselligkeit... - und nur wenig Freiheit, wenn überhaupt!
Die meisten meiner Programme hatten so einen provokatorischen, philosophischen Ansatz. Moral, Demografie, Kunst, Demokratie... Die Bezeichnung "Philosoph im Arbeitskittel", die mir ein Rezensent zukommen ließ, gefällt mir deswegen ganz besonders.
Meine kleine schicke Spielstätte im Chemnitzer Hedwighof konnte reichlich einhundert Besuchern Platz bieten. Oft gastierten die Weibertruppe "Elfen-Pein" und "Sachsen-Gaudi". Überwiegend standen aber ich (vorwiegend als "Sachsenmeyer") sowie Gertholm Mai oder Teresa Junek (vorwiegend am Keyboard) auf der Bühne.
Alle Texte der insgesamt 36 abendfüllenden Programme kamen aus meiner Feder.
Von einer großen regionalen Zeitung wurde ich 2012 zum "kultigsten Chemnitzer Original" gekürt.
Den richtigen Zeitpunkt, eine Karriere zu beenden, haben schon viele verpasst. Denen wollte ich nicht nacheifern. Jegliches hat seine Zeit! Die allgemeine Lust am kritischen Diskurs über die Zustände der Gesellschaft, wird geringer. Friede, Freude, Streuselkuchen! Wozu braucht man in einer Demokratie jemand, der noch selber denkt? Mehrheit entscheidet!
Und nebenbei - auch ich sehe mich dem üblichen Alterungsprozess ausgesetzt. Nach zwei Stunden auf der Bühne, quietschten die Hüftgelenke oft schon bedenklich.
Doch mit der Rente und dem Abschied von der "Kabarett-Kiste" ist noch kein Ende in Sicht. Die Möglichkeit, Gastspiele an anderen Orten anzunehmen, wird größer. Der neue Spielplan (siehe: www.sachsenmeyer-kabarett.de) weist elf verschiedene Spielorte auf.
Mit der "Kabarett-Kiste" habe ich mir meinen Lebenstraum erfüllt. Ich hatte die Freiheit, anderen sagen zu dürfen, was die gar nicht hören wollten.

Stephan Dettmeyer
Juli 2016


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen